"Die Windräder draußen im Meer sollen nach den Plänen der Bundesregierung eine tragende Rolle bei der Energiewende spielen", schreibt sie. Greenpeace hätte hinzufügen können, dass dies auch nach dem Willen von Greenpeace und der Grünen geschehe. Aber es könnte ja sein, dass es langsam angebracht ist, auf Distanz zu den Folgen des Ausstiegsbeschlusses zu gehen, der, wie alle wissen, viel zu spontan, zu schnell, unüberlegt und voller Ungereimtheiten ist. Die Illusion von den sicheren Windkrafträdern könnte schneller zerplatzen, als es sich deren Befürworter befürchtet haben, z.B. an dem Versicherungsproblem.
Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 rund 10 000 Megawatt Leistung durch Offshore-Windparks zu gewährleisten, gilt als sehr ehrgeizig. Dies entspricht ungefähr der Leistung von zehn Atomkraftwerken (zum Vergleich: Die 21 Windräder, die Kanzlerin Merkel mit einem symbolischen Knopfdruck vor ein paar Wochen in Bewegung setzte, stehen für gerade einmal 48 Megawatt). Dieses Ziel sei zu schaffen, sagt Ralf Skowronnek, Leiter des Branchenteams Power beim Industrieversicherungsmakler und Risikoberater Marsh in Hamburg, allerdings nur, «wenn man alle weltweiten Versicherungsmärkte nutzt».
Die Versicherungsfrage
Finkenzeller hebt hervor, dass in den politischen Absichtserklärungen derzeit ein wichtiger Aspekt fehle: "Die Investoren, die sich die nicht unerheblichen Risiken solcher Anlagen aufhalsen wollen, stehen nicht Schlange. Viele Versicherungen scheuen ebenfalls noch zurück".Hohe Schäden bei Windparks vor Dänemark hatten noch vor wenigen Jahren deutsche Gesellschaften wie die Allianz oder HDI Offshore-Windparks davon abgehalten, Windkraftanlagen zu versichern. Heute sieht sich die Allianz dazu in der Lage, allerdings um sieben- bis zehnfach höhere Prämien als bei Windkraftanlagen an Land. Robert Maurer, Leiter erneuerbare Energien beim Allianz Industrieversicherer AGCS: «Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es um hohe Risiken geht.»
Schadenszenarien von 300 Millionen Euro und höher hält die Versicherung für realistisch, die Versicherungssummen von Windkraftanlagen liegen bei 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro, sagt Maurer. Als Gründe nannte er:
- Die Lage weit draußen im Meer verursache erhebliche Kosten bei Aufbau, Wartung und Reparatur der Parks (weil riesige Abschnitte deutscher Küsten unter Naturschutz stehen, können Offshore-Windparks hierzulande nur sehr weit von der Küsten entfernt errichtet werden).
- Die Windmühlen müssen mit Spezialschiffen transportiert werden,
- Stürme und hohe Wellen können sie beschädigen,
- Schiffsanker könnten sich in Seekabeln zur Übertragung der Elektrizität verfangen.
- Im Winter können selbst Spezialschiffe nicht andocken.
- Die Gesellschaft hat eine eigene Mannschaft Kapitäne, die zur Risikobegleichung an Bord gehen, wenn die Anlagen verschifft und gesetzt werden.
- Der Ausfall kann für die Investoren sehr teuer werden.
Kein vernünftiger Unternehmer würde sein Firmenkonzept auf eine derart unsichere Grundlage bauen, keine Bank würde ihm für ein derart großes Risiko Kredite gewähren. Aber die Bundesregierung und die Parteien, die den Bau von Windkraftanlagen als Ersatz für Atomkraftwerke forcieren, gehen dieses Risiko ein, nicht nur für eine Firma, sondern für den gesamten Industriestandort Deutschland.
Welche finanziellen Zusagen wird die Regierung geben, damit die großmundigen Zusagen bis 2020 erfüllt werden können? Es gibt Schätzungen für den zukünftigen Strompreis, die weit mehr als das zehnfache des jetzigen Preises errechnet haben. Na und? Unsere Politiker verdienen gut, die Grünen sowieso, und die Industrie? Soll sie doch nach China gehen, wenn es hier nicht passt!
Greenpeace, die Grünen und wer noch?
Die Versicherungsfrage war ein zentrales Argument von Greenpeace. Es entstand in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Versicherungen seien dazu prinzipiell nicht bereit, weil die Atomkraftwerke generell zu unsicher sein, nicht beherrschbar, und deshalb auch nicht versicherbar. Aber das hat Greenpeace gar nicht gesagt, jedenfalls nicht auf seiner homepage (Studie: AKW-Unfälle sind kaum versichert, 11.05.2011). Dort beruft sich die Organisation auf das Ergebnis einer Analyse im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE) und bestätigt indirekt, dass eine angemessene Haftpflichtversicherung sehr wohl möglich sei, allerdings würde sich dann der Haushaltsstrompreis verteuern. "Um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten, müsste der Preis für eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom je nach Versicherungsmodell auf bis zu 2,36 Euro steigen", dies wäre das das Zehnfache des Haushaltsstrompreises.Es gehört zu dem Teil der Politik, der eigentlich jeden Bürger anwidert: Eine Partei schlägt aus einem Problem Kapital anstatt es zu lösen. Populismus ist für die Aufheizung der gereizten politischen Stimmung nicht die richtige Bezeichnung, eher Demagogie, wenn ein Grüner, der von Greenpeace als Experte bezeichnet wird, sagt: "Es kann nicht sein, dass die deutschen Kfz-Besitzer jährlich 20 Milliarden Versicherungsprämien zahlen und die Atomkonzerne nur wenige Millionen Euro für ihre Atomkraftwerke". Er zielt nicht auf eine angemessene Höhe der Versicherungssumme ab, was naheliegend wäre, sondern nutzt dieses Argument, um letztlich die Eliminierung der Kerntechnologie zu fordern. Er wird vermutlich wissen, dass sich die zuvor gezielt verängstigten Menschen einprägen werden: Atomkraft ist zu teuer und unbeherrschbar. Und er wird auch wissen, dass die meisten von ihnen überzeugt sein werden, dass sie ihre Entscheidung gegen die Atomkraft aus rationalen Gründen getroffen haben und keinesfalls hysterisch reagieren. Das ist der Erfolg einer gekonnten psychologischen Kriegsführung und eines gigantischen Werbeapparates.
Die Veröffentlichung des Artikels von Finkenzeller auf der homepage von Greenpeace gehört unbedingt dazu.
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